Fromet Mendelssohn

Die Chefin aus Altona
1737
1812

Vater: Abraham Gugenheim

Mutter: Glückche Mirjam

Geschwister: Joseph, Brendel, Blümche, Nathan


Fromet Gugenheim bringt das Geschäfts-Gen in die Familie: Ein Ururgroßvater ist der kaiserliche Hofbankier Samuel Oppenheimer, ihr Urgroßvater Lehmann Gomperz war Bankier des Großen Kurfürsten, die Hamburger Kauffrau Glückel von Hameln ist ihre Urgroßtante.

Im Alter von einem Jahr hat sie ihre Mutter verloren, ihre Stiefmutter Vogel Gugenheim wird noch lange bei ihr wohnen. Als der witzige, unglaublich gebildete, aber bucklige Berliner Textilhändler Moses Mendelssohn 1761 in Altona um die literatur-interessierte Fromet wirbt, weilt Abraham Gugenheim, der fast bankrotte Vater der 24-jährigen, gerade auf Geschäftsreise in Wien.

Das ungleiche Liebespaar Fromet und Moses entscheidet sich für einander ohne konventionelle Eheanbahnung. Im Gegensatz zu dieser mündigen, modernen Form der Partnerwahl, wie sie programmatisch am Anfang der Mendelssohnschen Familiengeschichte steht, hat eine Legende des Schriftstellers Bertold Auerbach Fromets Vater und dem Bräutigam die Initiative zugeschrieben. Der bereits verliebte Moses, erzählt Auerbach, habe gespürt, dass sein Buckel die junge Frau verschrecke und sich von ihr verabschieden wollen: „Endlich, da dieser das Gespräch geschickt so gewendet, fragte sie: „Glauben Sie auch, dass die Ehen im Himmel geschlossen werden?“ Mendelssohn daraufhin: „Gewiß, und mir ist noch was Besonderes geschehen. Bei der Geburt eines Kindes wird im Himmel ausgerufen: der und der bekommt die und die. Wie ich nun geboren wurde, wird mir auch meine Frau ausgerufen, aber dabei heißt es: sie wird, leider Gottes, einen Buckel haben, einen schrecklichen. Lieber Gott, habe ich da gesagt, ein Mädchen, das verwachsen ist, wird gar leicht bitter und hart, ein Mädchen soll schön sein, lieber Gott, gib mir den Buckel, und laß das Mädchen schlank gewachsen und wohlgefällig sein.“ Hier soll ihm Fromet um den Hals gefallen sein. Der wahre Kern dieser Anekdote liegt in dem Charme, mit dem Fromets Verehrer sie und andere Menschen zu gewinnen vermag, und in der Offenherzigkeit, mit der die Braut sich gewinnen lässt.

Silhouette Fromets aus einem Stammbucheintrag Mendelssohns für Herz Homberg. © Mendelssohn-Gesellschaft
Silhouette Fromets aus einem Stammbucheintrag Mendelssohns für Herz Homberg. © Mendelssohn-Gesellschaft
Der kaiserliche Hofbankier Samuel Oppenheimer war ein Ururgroßvater Fromet Gugenheims. Josef Kriehuber, Samuel Oppenheimer, 1846, © Foto: Peter Geymayer
Der kaiserliche Hofbankier Samuel Oppenheimer war ein Ururgroßvater Fromet Gugenheims. Josef Kriehuber, Samuel Oppenheimer, 1846, © Foto: Peter Geymayer
Autograph des Ehebriefs aus dem Jahr 1777 © bpk / Staatsbibliothek zu Berlin
Autograph des Ehebriefs aus dem Jahr 1777 © bpk / Staatsbibliothek zu Berlin

Erhalten sind 67 Brautbriefe des Verlobten, die von der Liebeserklärung im „im wüsten Gartenhäuschen“ handeln, von Bildungsprojekten für die Freundin, von Aufrichtigkeit, Gefühlen, Freundschaft und Beziehungen, von Literatur und von Moral in der High Society, von Verwandtschaftskonflikten, gegenseitigen Geschenken, von Vorbereitungen der Berliner Hochzeit am 22. Juni 1762. Die temperamentvolle Partnerschaft und der frische Ton der Braut lassen sich an diesem Teil der Korrespondenz ebenso erkennen wie später an Fromets überlieferten Ehebriefen.

»Lieber Mausche leb lang! Du beklagst Dich über mein lakonisch Schreiben, wenn die Lacedaemonier so lakonisch gewesen wären, hätte der Krieg mit die Griechen noch kein Ende. Du hast noch immer ein großen vollen Brief von mir gehabt, daß er Dir doch aber leer vorkommt, is nit meine Schuld mein Kind!«
Brief aus Berlin an Moses Mendelssohn in Pyrmont vom 22. Juli 1774

Die glückliche Verbindung von Ökonomie und Kultur entwickelt sich als Kennzeichen der künftigen Familie Mendelssohn. Stammvater Moses zieht zwar das freie Denken allen Leidenschaften vor, verdankt aber dem Textilhandel Einkommen und Bleiberecht. Statt einer Rabbinertochter, die ihm angetragen wurde, hatte er die Kaufmannstocher erwählt. Das erste belegte Privatgeschäft Mendelssohns, abseits seines Angestellten-Jobs in der Manufaktur, schließen Fromet und Moses 1765 gemeinsam. Ihrer Vermieterin geben sie einen Kredit von 4000 Reichsthalern als Hypothek auf das Wohnhaus Spandauer Straße 68.

Als Mutter, Haushaltschefin und Gastgeberin ist Fromet die starke, kluge Persönlichkeit hinter dem Philosophen, der als Fabrikant und Gelehrter verschiedenste Geschäfts-und Gesprächspartner, Schüler und Bekannte anzieht, dabei aber die eigenen Kräfte überstrapaziert. Sie organisiert den Haushalt, in dem aufgeklärte Hauslehrer und Verwandte mit den Mendelssohns leben, sie achtet auf die Kasse und soll für Gäste, die in diesem Freiraum ihre Meinung austragen lernen, die Snacks – Mandeln und Rosinen – gelegentlich abgezählt serviert haben.

Fiktive Szene mit Lessing und Lavater als Gäste im Haus Moses Mendelssohns. Moritz Daniel Oppenheim, 1856, © Judah L. Magnes Museum
Fiktive Szene mit Lessing und Lavater als Gäste im Haus Moses Mendelssohns. Moritz Daniel Oppenheim, 1856, © Judah L. Magnes Museum

Fromet trägt Moses, den Charismatiker, durch viele Krisen. Sie interessiert sich für seine Themen und wird zur Freundin der aufgeklärten Geschwister Reimarus in Hamburg und des Ehepaars Lessing. Vier Kinder verliert sie früh, sechs zieht sie groß; den Verlust der ältesten Tochter Brendel, die ihren jüdischen Mann und das Judentum aufgibt, verwindet sie nicht. Dass trotz der eigenen Liebesheirat zwei ihrer Töchter in arrangierte Ehen geschickt werden, hat Fromet zumindest nicht verhindert. Nach dem Tod des Moses (1786) erhält seine Witwe für sich und ihre Kinder vom König das lange verweigerte Bleiberecht. Sie erwirbt ihr Wohnhaus, wo ihr bald vor lauter Erinnerung die Decke auf den Kopf fällt, sie verkauft es wieder und zieht mit Stiefmutter Vogel zur Lieblingstochter Recha ins Provinznest Neustrelitz: wo die Mendelssohns in der Sommerfrische bei der Hofagenten-Familie Meyer so oft herrliche Ferien verbracht hatten. Mit der geschiedenen Recha und deren Ex-Schwiegervater, dem Familienfreund Nathan Meyer, kehrt sie am Anfang des neuen Jahrhunderts in ihre Heimatstadt Altona zurück.

Hier schenkt sie ihr Hochzeitskleid, das die Eheleute 1775, umgearbeitet zu einem Tora-Vorhang, einem Berliner Bethaus gestiftet hatten, der Synagoge. Als lebensfrohe, modisch frisierte Witwe, der das Kartenspiel, Komödienbesuche und Spaziergänge auf dem Eis mit ihrer kleinen Enkelin Fanny gefallen, bildet sie die Mitte ihrer großteils nach Hamburg gefolgten Familie. Als sie fünf Tage nach der Verkündigung des Emanzipationsedikts für die Juden in Preußen stirbt, sind ihre Bankierssöhne Joseph und Abraham schon samt ihren Familien vor den französischen Besatzern aus der Stadt geflüchtet. Eine Versöhnung mit Brendel, dem schwarzen Schaf der Familie, hat sie nicht mehr erlebt. „Sanft und ohne bedeutende Schmerzen“ sei die Mutter gestorben, annonciert Recha Meyer – ihre Lieblingstochter, die zuletzt bei ihr war – in einer Hamburger Zeitung.

Aus Fromets seidenem Hochzeitskleid ließen die Eheleute Mendelssohn 1775 einen Tora-Vorhang anfertigen. Tora-Vorhang, 1774 – 1775, © Jüdisches Museum Berlin / Foto: Hans-Joachim Bartsch
Aus Fromets seidenem Hochzeitskleid ließen die Eheleute Mendelssohn 1775 einen Tora-Vorhang anfertigen. Tora-Vorhang, 1774 – 1775, © Jüdisches Museum Berlin / Foto: Hans-Joachim Bartsch
1729
1786
Moses Mendelssohn
Der Jude von Berlin
1729
1786
Moses Mendelssohn
Der Jude von Berlin
1865
1935
Franz von Mendelssohn der Jüngere
Der Vorsitzende